Zentrale Herausforderungen bei der Anpassung an den Klimawandel

Bei der Anpassung an den Klimawandel ergeben sich auf Bundesebene mehrere zentrale, sektorübergreifende Herausforderungen. Diese müssen von den betroffenen Sektoren gemeinsam angegangen müssen.

Die wichtigsten Herausforderungen bei der Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz

Im ersten Teil der Strategie wurden zwölf sektorenübergreifende Herausforderungen beschrieben, die in der Schweiz bei der Anpassung an den Klimawandel bestehen. Die Herausforderungen 1 bis 8 ergeben sich aus den unmittelbaren Auswirkungen des Klimawandels. Die Herausforderungen 9 bis 12 bestehen darin, die Handlungsgrundlagen für die Anpassung an den Klimawandel zu verbessern.


1. Grössere Hitzebelastung in Städten und Agglomerationen

Hitzewellen dürften mit dem Klimawandel häufiger, intensiver und länger werden. In Städten kann die Wirkung hoher Temperaturen durch den sogenannten Wärmeinseleffekt verstärkt werden. In den betroffenen Gebieten steigert der Wärmeinseleffekt die Erwärmung am Tag und vermindert die nächtliche Abkühlung. Bei hohen Temperaturen steigt auch die Ozonkonzentration in der Luft. Für die Bevölkerung in Städten und Agglomerationen sind hohe Temperaturen eine gesundheitliche Belastung. Für alte, kranke und pflegebedürftige Personen sowie Säuglinge können Hitzewellen lebensbedrohend sein. Die hohe Ozonbelastung bei Sommerhitze führt zu Atemwegsbeschwerden und Einschränkungen der Lungenfunktion. Bei hohen Temperaturen nimmt wegen der verminderten Haltbarkeit von verderblichen Lebensmitteln auch die Gefahr von Lebensmittelvergiftungen zu.


2. Zunehmende Sommertrockenheit

Lang anhaltende Trockenperioden dürften in der Schweiz in Zukunft häufiger auftreten. Gründe dafür sind die mögliche Abnahme der Sommerniederschläge und die mit der Erwärmung einhergehende Zunahme der Verdunstung. Die Auswirkungen der Sommertrockenheit werden langfristig verstärkt, da im Sommer weniger Wasser aus der Schneedecke und den Gletschern abfliessen wird. In der Schweiz wird es auch in Zukunft noch viel Wasser geben, der Druck auf die Wasserressourcen wird aber während Trockenperioden zunehmen. In sensiblen Einzugsgebieten kann es zu Konkurrenz- und Knappheitsproblemen kommen. Um solche Situationen zu vermeiden, müssen in Risikogebieten die Wasserressourcen langfristig bewirtschaftet werden. Das BAFU stellt dazu Praxisgrundlagen zur Verfügung.


3. Steigendes Hochwasserrisiko

Aufgrund der möglichen Zunahme der Niederschläge im Winter und dem gleichzeitigen Anstieg der Schneefallgrenze könnten im Winter die Hochwasser zunehmen. Auch im Frühjahr und im Frühsommer muss wegen der Überlagerung von grossflächiger Schneeschmelze und intensiven Niederschlägen mit einer Zunahme des Hochwasserrisikos gerechnet werden. Dadurch verändert sich die Gefährdung von Siedlungen, einzelnen Gebäuden, Verkehrswegen, anderen Infrastrukturen und landwirtschaftlichen Nutzflächen.


4. Abnehmende Hangstabilität und häufigere Massenbewegungen

Als Folge des Klimawandels wird sich das Abschmelzen der Gletscher beschleunigen und das langsame Auftauen des Permafrosts fortsetzen. Beides führt zu einer Abnahme der Hangstabilität in steilen Lagen der Alpentäler. Erdrutsche, Steinschlag, Felsstürze und Murgänge (Massenbewegungen) dürften deshalb in den kommenden Jahrzehnten häufiger auftreten. Das Risiko von Hangrutschungen wird auch in tieferen Lagen durch den Anstieg der Schneefallgrenze und die mögliche Zunahme von Starkniederschlägen erhöht. Durch die Zunahme von Massenbewegungen und insbesondere deren Auftreten an bislang nicht betroffenen Orten wird die Sicherheit von Siedlungen, touristischen Anlagen, Talsperren, Strassen- und Schieneninfrastrukturen sowie von Gas- und Stromleitungen im Alpenraum beeinträchtigt.


5. Steigende Schneefallgrenze

Mit zunehmenden Temperaturen steigt die Schneefallgrenze. Im Winter ist in tieferen Lagen vermehrt mit Regen statt Schnee zu rechnen. Im Frühsommer fällt die Schneeschmelze geringer aus. Entsprechend den veränderten Abflüssen nimmt das Hochwasserrisiko im Winter zu, während im Sommer die Gefahr von Trockenperioden steigt. Durch die veränderten Abflussregimes ändern sich auch die Produktionsbedingungen der Wasserkraftwerke. Die steigende Schneefallgrenze wirkt sich auf die Biodiversität aus. In den betroffenen Gebieten verlängert sich die schneefreie Periode. Tier- und Pflanzenarten aus tieferen Lagen können davon profitieren und höher gelegene Gebiete erschliessen. Die dort ansässigen Arten sind der Konkurrenz der aufsteigenden Arten oft nicht gewachsen und müssen, sofern möglich, in noch höher gelegene Gebiete ausweichen. Für die Landwirtschaft erhöht sich wegen des ausbleibenden Schmelzwassers das Risiko von Frühjahrstrockenheit. Vom Anstieg der Schneefallgrenze ist auch der Wintertourismus betroffen. Wegen der abnehmenden Schneesicherheit können vor allem tief gelegene Schneesportgebiete in den Voralpen unter Druck geraten. In den hohen Lagen der Alpen wird die Schneesicherheit dagegen einen Wettbewerbsvorteil darstellen.


6. Beeinträchtigung der Wasser-, Boden- und Luftqualität

Der Klimawandel wirkt sich auf die Wasser-, Boden-und Luftqualität aus. Zu den Auswirkungen gehören die Erwärmung der Gewässer, der Anstieg der Schadstoffkonzentrationen bei Niedrigwasser, die Zunahme der Bodenerosion und des damit verbundenen Oberbodenverlusts in gewissen Gebieten bei einer allfälligen Zunahme von Starkniederschlägen und eine Zunahme von Smogsituationen wegen häufigeren stabilen Hochdrucklagen. Die Veränderungen wirken sich auf die Biodiversität, die Gesundheit und generell auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen aus. 


7. Veränderung von Lebensräumen, Artenzusammensetzung und Landschaft

Die Temperatur- und Niederschlagsänderungen beeinflussen die Verbreitung von Tier-und Pflanzenarten, ihre Lebensräume und damit die gesamte Biodiversität. Lokal wird es zu Veränderungen der Artenzusammensetzung kommen: Neue Arten wandern zu, bestimmte Arten werden häufiger, andere werden seltener oder drohen zu verschwinden. Die sich verändernden Standortbedingungen können zu einem Verlust von Lebensräumen für einzelne Arten und Artengemeinschaften und längerfristig zur Veränderung der landschaftlichen Eigenart beitragen. Diese Entwicklungen dürften sich zumindest anfänglich negativ auf die Ökosystemleistungen auswirken; allfällige positive Effekte in einzelnen Bereichen sind erst langfristig zu erwarten. Betroffen sind beispielsweise die Stabilität der Wälder und ihre Schutzwirkung, die CO2-Speicherung der Wälder, die Qualität und Funktionalität von Feuchtwiesen und Mooren, die Artenzusammensetzung des Grünlandes und die Anbaueignung von Kulturpflanzen. Bezüglich Art und Ausmass der Beeinträchtigung existieren jedoch noch viele Wissenslücken. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass je stärker und schneller sich der Klimawandel vollzieht, desto eher werden die Grenzen der natürlichen Anpassungsfähigkeit erreicht und nimmt der Handlungsbedarf zu.


8. Ausbreitung von Schadorganismen, Krankheiten und gebietsfremden Arten

Als Folge des Klimawandels werden künftig mehr potenzielle Schadorganismen die kalte Jahreszeit in der Schweiz überleben. Ihre Populationen werden sich rascher entwickeln und besser ausbreiten können als bisher. Auch neue, wärmeliebende Tier-und Pflanzenarten können sich ausbreiten und etablieren. Darunter können sich auch Schadorganismen und Krankheitserreger, deren Wirte und Überträger (Vektoren) befinden. Diese stellen ein Risiko für die Land- und Waldwirtschaft sowie für die Gesundheit von Mensch und Tier dar.


9. Monitoring und Früherkennung

Der Klimawandel ist ein nach menschlichen Zeitbegriffen langsamer Prozess. Manche klimabedingte Veränderungen sind erst nach langer Zeit nachweisbar (z. B. klimabedingte Veränderungen der Häufigkeit und Intensität von Extremereignissen, die Verschiebung von Lebensräumen). Es besteht die Gefahr, dass schwerwiegende Veränderungen zu spät erkannt oder falsch eingeschätzt werden. Dies kann dazu führen, dass Anpassungsmassnahmen zu spät eingeleitet oder falsch ausgelegt und bemessen werden, wodurch vermeidbare Schäden und unnötige Kosten entstehen.


10. Reduktion von Unsicherheiten und Schliessen von Wissenslücken

Nach wie vor bestehen grosse Unsicherheiten bezüglich der künftigen Entwicklung der Emissionen sowie des globalen und regionalen Klimas. Aktuelle Beobachtungen zeigen aber, dass sich die globalen Treibhausgasemissionen entsprechend der pessimistischsten Szenarien bewegen. Auch die Abschätzungen der Auswirkungen des Klimawandels auf die einzelnen Sektoren, der Anpassungsfähigkeit der Systeme sowie der Kosten und Nutzen von Anpassungsmassnahmen weisen grosse Bandbreiten auf. Die Planung von Anpassungsmassnahmen wird durch die zeitliche Entkoppelung von Ursache und Wirkung erschwert. Trotz diesen Unsicherheiten und Wissenslücken ist es unerlässlich, Massnahmen bereits heute einzuleiten. In den meisten Sektoren fehlen jedoch konkrete Konzepte für den Umgang mit Unsicherheiten aufgrund des Klimawandels.


11. Sensibilisierung, Information und Koordination

Eine zentrale Voraussetzung für eine effektive Anpassung an den Klimawandel ist, dass Bund, Kantone, Gemeinden, Verbände und Private zusammenarbeiten. Viele Entscheidungsträger sind sich jedoch noch nicht ausreichend bewusst, dass eine Klimaanpassung notwendig und vorteilhaft ist. Zudem sind die verfügbaren Informationen noch zu wenig bekannt. Dies kann dazu führen, dass die Klimaanpassung zu spät eingeleitet wird, dass sie unkoordiniert erfolgt und dass wichtige Informationen nicht berücksichtigt werden.


12. Ressourcenbedarf und Finanzierung

Die Auswirkungen des Klimawandels werden mit grossen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden sein. Sie variieren je nach Entwicklung der globalen Treibhausgasemissionen und des Klimas. Derzeit entwickeln sich die globalen Treibhausgasemissionen gemäss der pessimistischsten Szenarien, und es muss mit einer dementsprechend starken Veränderung des Klimas gerechnet werden. Die regionalen Auswirkungen eines derart starken Klimawandels auf die Schweiz wurden bis anhin nicht im Detail untersucht.

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Letzte Änderung 15.09.2016

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