Pilotprojekt zur Anpassung an den Klimawandel «Empfindlichkeit von Quell-Lebensräumen gegenüber Klimaveränderungen»

Erstmals wurden die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die Fauna alpiner Quellen untersucht. Die Ergebnisse flossen in die Beurteilung der Empfindlichkeit und der Gefährdung von Quell-Lebensräumen ein und bilden damit Grundlagen für den Schutz einzelner Quellen.

Ausgangslage

Natürliche Quell-Lebensräume sind in den Alpen durch intensive Nutzungen wie Wasserfassungen für die Trinkwasserversorgung, Beschneiungsanlagen, die Energiegewinnung oder die Landwirtschaft zunehmend beeinträchtigt. Zu diesen Belastungen kommt der Temperaturanstieg infolge des Klimawandels hinzu. Die in vielen Quellen konstante Wassertemperatur entspricht ungefähr dem Jahresmittel der Lufttemperatur. Zahlreiche für Quell-Lebensräume typische Tierarten können nur in einem begrenzten Bereich niedriger Temperaturen existieren. Steigen die Temperaturen über diesen Bereich hinaus, fehlen den Arten die Rückzugsmöglichkeiten. Bisher gab es keine Untersuchungen, die es erlauben, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Fauna alpiner Quellen abzuschätzen.

Ziele

Ziel des Projekts war die Gewinnung von Kenntnissen über die Temperaturmuster in faunistisch wertvollen Quell-Lebensräumen und über die Zusammensetzung der Kleintiere der Gewässersohle (Makrozoobenthos) in der subalpinen und alpinen Stufe der Schweizer Alpen. Anhand der gewonnenen Daten sollten Arten ermittelt werden, die mit tiefen Temperaturen assoziiert und damit von den klimatischen Veränderungen besonders stark bedroht und entsprechend verletzlich sind. Schliesslich sollte ein Index entwickelt werden, der es erlaubt, auf der Basis der Verletzlichkeit der vorkommenden Arten die potenzielle klimabedingte Beeinträchtigung der Quell-Lebensräume zu bewerten.

Vorgehen

  • Auswahl von 61 repräsentativen Fliessquellen in unterschiedlichen Regionen der Zentralalpen
  • Installieren von Temperaturloggern in den ausgewählten Quellen
  • Erheben des Makrozoobenthos bei mehreren Begehungen
  • Auswerten der Temperaturmuster sowie der Arten von Eintagsfliegen, Steinfliegen und Köcherfliegen (EPT-Arten)
  • Einstufen der Art-Verletzlichkeit mithilfe klimarelevanter ökologischer Eigenschaften («ecological traits»)
  • Entwicklung eines Index zur Bewertung der Verletzlichkeit der Quell-Lebensräume gegenüber dem Klimawandel

Ergebnisse

Mithilfe von Korrelationen und multivariaten Auswertungen der Temperaturdaten und der faunistischen Parameter wurden 27 EPT-Arten mit enger Bindung an tiefe Wassertemperaturen ermittelt. Diese Arten besitzen klimarelevante ökologische Eigenschaften wie ein eng begrenztes Verbreitungsareal, Vorkommen in grosser Höhe, Bevorzugung von Quellen und eine kurze Schlupfperiode. Je nach Ausprägung dieser Eigenschaften wurden die Arten als unterschiedlich verletzlich gegenüber dem Klimawandel eingestuft. Bei der Auswertung der Eigenschaften erwiesen sich insgesamt 86 von 126 Arten in den Schweizer Quellen als mässig bis stark verletzlich gegenüber Klimaveränderungen. Aufgrund des Klimaverletzlichkeitsindex wurden 53 der 61 untersuchten Quellen als mässig bis stark verletzlich eingestuft.

Fazit

Das Projekt erarbeitete grundlagennahes und umsetzungsorientiertes Wissen über die bisher nur lückenhaft bekannten alpinen Quellen. Quell-Lebensräume und ihre typischen Lebensgemeinschaften in der subalpinen und alpinen Stufe sind in hohem Mass verletzlich gegenüber Klimaveränderungen.

Bei einer naturschutzfachlichen Evaluation von Quell-Lebensräumen bietet es sich an, neben den Gefährdungseinstufungen der Arten auch die Verletzlichkeit gegenüber dem Klimawandel einzubeziehen. Mit dem Vorgehen zur Berechnung von «trait»-basierten Klimaverletzlichkeitswerten für die beobachteten Eintagsfliegen-, Steinfliegen- und Köcherfliegenarten und dem daraus abgeleiteten Klimaverletzlichkeits-Index steht ein Werkzeug zur Verfügung, das nicht nur für Quellen, sondern auch für andere Fliessgewässer-Lebensräume angewendet werden kann.

Mit dem artbezogenen Vulnerabilitätswert und dem lebensraumbezogenen Vulnerabilitätsindex sind wichtige neue Naturschutzinformationen verfügbar, welche die ebenfalls relativ neue Einstufung der Priorität dieser Arten und Lebensräume (Gefährdung kombiniert mit Verantwortung der Schweiz) ergänzen.


Projektträger: Arbeitsgemeinschaft Schutz von Quell-Lebensräumen, c/o Life Science AG

Pilotgebiete: Alpengebiete der Kantone Bern, Uri, Graubünden, Wallis, Tessin

Laufzeit: 2014 - 2016

Begleitung: Bundesamt für Umwelt

Fachkontakt
Letzte Änderung 13.10.2017

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Kontakt

Life Science AG
Daniel Küry

daniel.kuery@lifescience.ch

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Bundesamt für Umwelt BAFU
Klimaberichterstattung und –Anpassung

Papiermühlestr. 172
3063 Ittigen

climate-adaptation@bafu.admin.ch
www.bafu.ch

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