A.14 Leitlinien für das Bauwesen in der Südschweiz

Die geltenden Bauvorschriften genügen voraussichtlich nicht mehr, um in den kommenden Jahrzehnten ein optimales Raumklima in Gebäuden südlich der Alpen zu gewährleisten. Dieses Pilotprojekt schätzte die Auswirkungen der Klimaerwärmung im Tessin auf den Raumkomfort in Gebäuden und deren Energiebedarf systematisch ab. Die Modellberechnungen zeigen, dass insbesondere die Kombination von verschiedenen baulichen, gebäudetechnischen und betrieblichen Massnahmen das Wohlbefinden der Menschen in Innenräumen verbessern kann.

Zwei Baukräne.
© Kayden / Unsplash

Ergebnisse

Noch stärker als in der übrigen Schweiz beeinträchtigen im Tessin die zunehmend hohen Sommertemperaturen den Raumkomfort in Gebäuden. Die aktuellen Bauvorschriften tragen indes der klimatischen Situation in der Region nur bedingt Rechnung.

Dieses Projekt hatte sich daher zum Ziel gesetzt, zu untersuchen, wie der Immobilienbereich auf den Klimawandel reagieren kann. Insbesondere wurden Konstruktionsmerkmale bestimmt, welche eine Anpassung von neuen und renovierten Gebäuden erlauben. Und es wurden neue Planungsansätze ermittelt, um die heutige Baupraxis an wärmeren Bedingungen auszurichten. 

Zu diesem Zweck wurden Gebäude mit unterschiedlichen Funktionen und Merkmalen ausgewählt, die in ihrer Gesamtheit sowohl architektonisch als bezüglich ihrer Nutzung repräsentativ für den regionalen Immobilienbestand sind. Die angewandte Methode ermöglichte die Modellierung von etwa 350 Gebäuden für jede Kategorie (Wohn-, Schul- und Verwaltungsgebäude) unter Variation ihrer ihrer Bau-, Nutzungs- und Betriebsparameter. 

Für jedes Gebäude wurden Simulationen mit meteorologischen Daten von drei verschiedenen Standorten durchgeführt. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass sich einzelne Massnahmen zwar Optimierungen in Bezug auf den Energieverbrauch und die Aufenthaltsqualität bringen können. Die beste Wirkung ergibt sich indes durch die Kombination unterschiedlicher Massnahmen. Dies zeigt sich am Beispiel der Verglasung eines Gebäudes: Eine reduzierter Glasanteil der Fassade senkt in Verbindung mit einem automatisierten aussenliegenden Sonnenschutz das Risiko einer Überhitzung im Sommer und während der Übergangsjahreszeiten.

Weitere wichtige Faktoren zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität in Gebäuden stellen eine Erhöhung ihrer thermischen Trägheit sowie die nächtliche Belüftung (Nachtauskühlung) dar. Schliesslich bleibt jedoch selbst unter Berücksichtigung klimagerechter Konstruktionsweisen die Installation von Kühl- und Entfeuchtungssystemen oft unverzichtbar, um im zukünftigen Klima der Südalpen ein angemessenes Komfortniveau zu gewährleisten.

Die verschiedenen Massnahmen müssen in jedem Einzelfall bewertet und im gesamten Projektkontext angemessen kombiniert werden. Dabei wird die Sommerperiode einen zunehmenden Einfluss auf die Beurteilung von Gebäuden haben und die entsprechenden Ansätze teilweise neu definieren. Insbesondere ist davon auszugehen, dass die Berechnung der Energiebilanz eines Gebäudes in Zukunft sowohl den Sommer- als auch den Winterbedarf berücksichtigen muss.

Projektzusammenfassung (PDF, 199 kB, 28.04.2023)

Dokumente und weiterführende Links

Ausgangslage

Die geltenden baurechtlichen Bestimmungen beruhen auf den Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich, welche den regionalen Besonderheiten nur beschränkt Rechnung tragen. Ziel dieses Projektes ist es, die Auswirkungen des Klimawandels auf den Raumkomfort aufzuzeigen, Massnahmen zur Optimierung des Raumkomforts unter Berücksichtigung der klimatischen Veränderungen auszuarbeiten sowie strukturelle oder sonstige Vorschriften zur Optimierung des Energieverbrauchs zu entwickeln. Die Implementierung neuer Projektansätze setzt umfangreiche Anpassungen auf nationaler und regionaler Ebene voraus. Durch die unmittelbare Beteiligung der verschiedenen lokalen Akteure soll sichergestellt werden, dass sämtliche Anforderungen berücksichtigt werden. Durch die Teilnahme des Kantons Tessin sowie der Gemeinden Locarno und Faido ist die langfristige Verankerung in den räumlichen Gegebenheiten des Pilotgebiets sichergestellt.

Ziele

  • Festlegung von Projektansätzen zur Verbesserung des Wohlbefindens in warmen Gebieten und zur Verringerung des Energiebedarfs.
  • Bestimmung nachhaltiger Bau- und Nutzungsweisen, um das Gebäude an die regionalen klimatischen Gegebenheiten anzupassen.
  • Zusammenstellung und Beschreibung der Massnahmen zur Erhaltung eines hohen Raumkomforts in den Gebäuden.
  • Entwicklung von Leitlinien für die umfassende, branchenübergreifende Anpassung der Regelwerke.

Vorgehen

Das Projekt umfasst 6 Schritte:

  • Projekt- und Betriebsmanagement.
  • Evaluierung des Raumkomforts der Gebäude angesichts des Klimawandels mittels Auswahl und Modellierung zweier Gebäudekategorien: Mehrfamilienhäuser und Bürogebäude.
  • Festlegung und Beurteilung der Massnahmen zur Wahrung des Raumkomforts angesichts des Klimawandels aus energie- und umwelttechnischer Sicht, ausgehend von den Erkenntnissen ähnlicher Studien (z.B. des ClimaBau-Projekts).
  • Erarbeitung von Leitlinien für die Anpassung der Regelwerke an den Klimawandel – gestützt auf die in den vorhergehenden Phasen gesammelten Informationen.
  • Verfassen des Schlussberichts unter Einbezug aller Projektpartner.
  • Erarbeitung einer allgemeinen und wissenschaftlichen Dokumentation, Sensibilisierung von Fachleuten der Baubranche, Behörden und verschiedenen Bauherrschaften.

Projektregion

Vollständiger Projekttitel: 

Clima di domani: linee guida per l’edilizia, Sud delle Alpi precursore (A.14)

Projektgebiet:

Gemeinde Locarno, Gemeinde Faido sowie weitere Fallstudien im Tessin und in der übrigen Schweiz

Laufzeit:

Januar 2019 – Dezember 2021

Träger:

Associazione TicinoEnergia, Ca’ Bianca, Via San Giovanni 10, 6500 Bellinzona

Begleitung:

Bundesamt für Wohnungswesen BWO, Bundesamt für Energie (BFE)

Fachkontakt
Letzte Änderung 10.05.2023

Zum Seitenanfang

https://www.nccs.admin.ch/content/nccs/de/home/massnahmen/pak/projektephase2/pilotprojekte-zur-anpassung-an-den-klimawandel--cluster--umgang-/a-14-leitlinien-fuer-das-bauwesen-in-der-suedschweiz.html