E.03 Tintenkrankheit der Edelkastanie

Auf der Südseite der Schweizer Alpen erfüllen ausgedehnte Kastanienwälder eine wichtige Funktion für die Umwelt als Erholungsraum, Produktionsfaktor und Schutz gegen Naturgefahren. Seit den 1990er-Jahren sterben jedoch immer mehr Edelkastanien an der eingeschleppten Tintenkrankheit. Dieses Projekt rekonstruierte die aktuelle Ausbreitung der Krankheit, und suchte nach Baumarten, die resistent und ans zukünftige Klima angepasst sind.

Veredelte Kastanienbäume in gepflegten Hainen mit genügend Abstand und Licht können sehr alt werden.
© Giorgio Moretti

Ergebnisse

Um die Kenntnisse über die Verbreitung der Tintenkrankheit in den Schweizer Südalpen zu verbessern, nahm das Projektteam umfangreiche Felduntersuchungen und Laboranalysen vor. Dabei konnten sie den Erreger der Krankheit, die Pilze Phytophthora cinnamomi und Phytophthora x cambivora, in 25 befallenen Kastanienwäldern identifizieren. Die Ausbrüche im Tessin sind hauptsächlich durch P. cinnamomi verursacht und vor allem in der Region Locarno und im Vedeggio-Tal zu finden. Die beiden Ausbrüche im Bergell befinden sich in Castasegna und sind auf P. x cambivora zurückzuführen. 

Um den Ursprung der Ausbrüche zu rekonstruieren, stützte sich das Projekt auch auf Luft- und vor allem Satellitenbilder ab. Obwohl es nicht möglich war, ein vollständiges Verständnis der zeitlichen und räumlichen Entwicklung der Krankheit zu erlangen, gewann das Projektteam dennoch wertvolle Informationen. So waren Schäden erst auf den Bildern nach dem Jahr 2000 zu erkennen. Dies bestätigt die Beobachtungen der Forstdienste, dass die Tintenkrankheit gegen Ende der 1990er-Jahre auftrat. 

Indizien dafür, dass sich die Krankheit erst in den letzten 20 bis 30 Jahren verbreitet hat, lieferten auch Analysen der Jahresringe der Bäume. Das jährliche Wachstum der derzeit befallenen Bäume ist erst in den letzten 10 bis 20 Jahren deutlich zurückgegangen. Zudem zeigte sich, dass die Tintenkrankheit nicht nur gestresste oder schwache Bäume befällt, sondern auch vitale Pflanzen. 

Genetische Untersuchungen mit sogenannten Mikrosatelliten-Markern zeigten ausserdem, dass die Ausbrüche der Krankheit im Tessin zumeist auf einen bestimmten Genotyp, also ein einzelnes Individuum von P. cinnamomi zurückgehen. Dies lässt vermuten, dass entweder mehrere Einschleppungen aus derselben Quelle (etwa einer Baumschule) stattfanden, oder aber isolierte Einschleppungen mit anschliessender lokaler Ausbreitung durch Tiere oder den Menschen (Pilzsucher, Jäger und Wanderer) sich ereigneten. 

Derzeit gibt es keine wirksamen Massnahmen zur Bekämpfung dieser tödlichen Krankheit und die betroffenen Kastanienbäume haben keine Zukunft. In befallenen Kastanienwäldern wird eine langfristige Waldbewirtschaftung nur mit anderen Baumarten möglich sein, die gegen den Krankheitserreger resistent und für künftige Klimabedingungen geeignet sind. Mithilfe eines Modellierungsansatzes bestimmte das Projektteam schliesslich Baumarten, welche die Kastanie zukünftig auf der Alpensüdseite ersetzen oder begleiten könnten. Dazu gehören Spitzahorn (Acer platanoides), Bergahorn (Acer pseudoplatanus), Linde (Tilia platyphyllos), Schwarzbuche (Ostrya carpinifolia) und Eberesche (Sorbus aria).

Projektzusammenfassung (PDF, 1 MB, 07.03.2023)

Dokumente und weiterführende Links

Zusammenfassung

E.03 Synthese Tintenkrankheit der Edelkastanie (PDF, 1 MB, 07.03.2023)Das Wichtigste in Kürze (Projektzusammenfassung)

Ausgangslage

Die Tintenkrankheit der Edelkastanie (Castanea sativa) wird durch die beiden Pilzarten Phytophthora cinnamomi und P. cambivora hervorgerufen. Sie scheint sich im Kanton Tessin sowie in den Südtälern des Kantons Graubünden rasch auszubreiten Allerdings liegen zurzeit noch keine verlässlichen Daten vor, welche diese Befürchtung untermauern. Durch die Ausbreitung der Krankheit werden die Anstrengungen zur Rettung der historisch gewachsenen Kastanienwälder zunichte gemacht, die Eigenschaften des Waldbestandes verändert und dessen Schutzfunktion gefährdet. Trotz der wachsenden Besorgnis der Forstdienste besteht zurzeit keine Strategie zur Bekämpfung dieser neuen, invasiven Krankheit.

Ziele

  • Bestimmung der derzeitigen und früheren Verbreitung der Tintenkrankheit der Edelkastanie mittels Erhebungen vor Ort, Luftaufnahmen und Satellitenbildern.
  • Modellierung der Entwicklung dieser Krankheit in der Vergangenheit und der Zukunft gestützt auf diese Daten und die verfügbaren Klimadaten.
  • Genetische Charakterisierung der lokalen Populationen der beiden Pilzarten Phytophthora cinnamomi und P. cambivora, um den Verlauf der Invasion zu rekonstruieren und einen Bezug zum Klimawandel herzustellen.
  • Bestimmung von geeigneten Baumarten, welche angesichts des Klimawandels die Edelkastanie in den von der Tintenkrankheit betroffenen Gebieten ersetzen könnten.

Vorgehen

Das Projekt umfasst vier Module:

  • Verbreitung der Krankheit: Bestimmung der von der Krankheit betroffenen Gebiete mittels eines Fragebogens und Auswertung der gesammelten Daten; Nachweis des Erregers durch systematische Probenahmen vor Ort; Modellierung der zeitlichen und örtlichen Verbreitung der Tintenkrankheit; Durchführung einer Kälteempfindlichkeitsprüfung der Erreger.
  • Genetische Analyse der beiden in den befallenen Kastanienwäldern gefundenen Krankheitserreger.
  • Bestimmung der angesichts des Klimawandels geeigneten Alternativen zur Kastanie mittels Feldversuchen und im Treibhaus, um sowohl unter realen als auch unter kontrollierten Bedingungen die Anfälligkeit der ausgewählten Arten für die beiden Krankheitserreger zu testen.
  • Projektmanagement und Kommunikation der Ergebnisse an die verschiedenen Interessengruppen.

Projektregion

Vollständiger Projekttitel: 

Mal dell’inchiostro del castagno: favorito dai cambiamenti climatici? (E.03)

Projektgebiet:

Kastanienwälder der Kantone Tessin und Graubünden (Misox und Bergell)

Laufzeit:

Januar 2019 – Dezember 2021 (je nach Modul)

Träger:

Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, 8903 Birmensdorf

Begleitung: Bundesamt für Umwelt BAFU

Fachkontakt
Letzte Änderung 20.03.2023

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Kontakt

Simone Prospero
simone.prospero@wsl.ch
Tel. +41 44 739 22 48  

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