E.04 Ausbreitung der Chinesischen Hanfpalme

Die Chinesische Hanfpalme breitet sich zunehmend in den Wäldern und insbesondere auch in der Nähe von Siedlungen des Kantons Tessins aus. In den letzten Jahren bildet diese invasive Art vermehrt lokal geschlossene Bestände im Unterholz. Untersuchungen im Rahmen dieses Projekts zeigten, wie sich die Ausbreitung der Pflanze auf die biologische Vielfalt sowie die Schutzfunktion des Waldes auswirkt. Basierend auf ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen und auf einer Bevölkerungsumfrage entwickelte das Forschungsteam eine differenzierte Strategie zum Umgang mit der invasiven Palme.

Chinesische Hanfpalmen breiten sich im Wald aus.

Ergebnisse

Erstmals erforschte das Projektteam detailliert die Auswirkungen der Chinesischen Hanfpalme (Trachycarpus fortunei) auf die lokale Biodiversität und die Ökosystemprozesse im Wald südlich der Alpen. An zehn Waldstandorten mit einem sehr hohen Vorkommen dieser Art wurden die Vegetation und das Vorkommen von Arthropoden in Waldflächen erhoben. Dabei zeigte es sich, dass in dichten Palmenbeständen die Artenzahl sowohl der Pflanzen als auch der einheimischen, pflanzenfressenden Insekten oft geringer war als in den benachbarten Waldgebieten ohne Palmen.

Das Projektteam untersuchte auch das Wurzelsystem, um zu beurteilen, wie sich die Hanfpalme auf die Fähigkeit des Waldes, Erdrutsche zu verhindern, auswirkt. Die Palmenwurzeln entwickeln sich nur in der Nähe des Stammes und haben einen geringeren Durchmesser als einheimische Baumarten. Sie tragen daher nur in begrenztem Umfang zur Bodenstabilisierung bei.

Schliesslich testete das Projekt auch, wie sich diese Palmen gezielt aus der Natur entfernen lassen. Die systematischen Untersuchungen ergaben unter anderem, dass kleine Palmen unter 65 Zentimeter Wuchshöhe nach dem Schnitt wieder aus dem sogenannten Palmherz austreiben, das unter der Erde liegt. Um dies zu verhindern, muss bei kleinen Palmen das Meristem in der Mitte des Stammes zusätzlich mit einem Bohrer zerstört werden. 

Um die öffentliche Wahrnehmung der Chinesischen Hanfpalme im Tessin und die Akzeptanz möglicher Bekämpfungsmassnahmen zu ermitteln, führte das Projekt eine schweizweite Onlineumfrage mit 2000 Teilnehmenden durch. Ein Grossteil der befragten Bevölkerung nimmt die Palme positiv wahr. Für viele stellt sie ein Symbol der südlichen Alpenlandschaft dar.

Auf Grundlage dieser Erkenntnisse entwickelte das Projektteam eine differenzierte Strategie, um die weitere Ausbreitung der Chinesischen Hanfpalme im südlichen Alpenraum zu begrenzen. Da kultivierte Exemplare viele Samen im Wald verbreiten, wäre eine komplette Ausrottung unrealistisch. Das Projektteam schlägt daher vor, die invasive Art nur in ökologisch besonders wertvollen Auenwäldern zu beseitigen. In Schutzwäldern, in denen die Palme geschlossene Bestände bildet, soll sie gezielt entfernt oder eingedämmt werden. Schliesslich sollen Bevölkerung und Behörden im Umgang mit der Hanfpalme in Gärten und städtischen Grünanlagen sensibilisiert werden. 

Dokumente und weiterführende Links

Ausgangslage

Die Chinesische Hanfpalme (Trachycarpus fortunei) – im Volksmund wegen ihrer häufigen Kultivierung im Tessin auch „Tessinerpalme“ genannt – kommt in tief gelegenen Wäldern des Kantons Tessin vor, hauptsächlich um Siedlungsgebiete und touristisch geprägte Orte herum. Sie gilt als eine der kälteresistentesten Palmenarten. Obwohl ihre heutige Verbreitung massgeblich auf die veränderte Landschaftsnutzung zurückzuführen ist, könnte sie sich angesichts des Klimawandels in Zukunft schneller ausbreiten und auch höhere Lagen erreichen, wodurch sich die von ihr besiedelte Fläche beträchtlich vergrössern dürfte. Daher steht die Forstwirtschaft vor wichtigen Entscheidungen, wofür ihr derzeit jedoch noch fundierte wissenschaftliche, technische und praktische Kenntnisse fehlen. Die kantonalen Behörden, welche sich mit der Ausbreitung der Chinesischen Hanfpalme befassen, sind in das Projekt involviert. Dadurch wird sichergestellt, dass deren Anforderungen im Projektdesign berücksichtigt werden und die angewandte Forschung gangbare Lösungen hervorbringt.

Ziele

  • Bestandsaufnahme der Chinesischen Hanfpalme in den Wäldern und Beurteilung des zukünftigen Ausbreitungspotenzials.
  • Beurteilung der ökologischen Folgen des Vorkommens dieser Art mit besonderem Blick auf die Auenwälder von hohem Naturwert.
  • Bestimmung der Biomasse der Palme, ihres möglichen Beitrags zur Stabilisierung des Bodens durch ihre Wurzeln sowie ihre Rolle bei der Intensivierung der Waldbrände.
  • Optimierung der Bekämpfungs- und Ausrottungstechniken.

Vorgehen

  • Erfassung der Verbreitung der Chinesischen Hanfpalme, Analyse der relevanten klimatischen und geomorphologischen Faktoren, Erstellen einer Karte der möglichen zukünftigen Verbreitung.
  • Erforschung der Zersetzungsprozesse mittels eines Experiments mit Litterbags sowie der Erneuerungsdynamik und der Artenvielfalt.
  • Untersuchung des Wurzelsystems der Chinesischen Hanfpalme, Beurteilung des Risikos für Naturgefahren.
  • Bestimmung der Biomasse anhand eines terrestrischen Laserscanners sowie Evaluation diverser Interventions- und Entfernungstechniken.
  • Erarbeitung von Leitlinien und Interventionsprioritäten.

Projektregion

Vollständiger Projekttitel: 

Impatto di Trachycarpus fortunei sui servizi ecosistemici al Sud delle Alpi e mitigazione (E.04)

Projektgebiet:

Kanton Tessin

Laufzeit:

Januar 2019 – Dezember 2021

Träger:

Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Campus di ricerca, A Ramèl 18, 6594 Cadenazzo

Begleitung: Bundesamt für Umwelt BAFU

Fachkontakt
Letzte Änderung 23.02.2023

Zum Seitenanfang

Kontakt

Gianni Boris Pezzatti
boris.pezzatti@wsl.ch
Tel. +41 91 821 52 32  

Kontaktinformationen drucken

https://www.nccs.admin.ch/content/nccs/de/home/massnahmen/pak/projektephase2/pilotprojekte-zur-anpassung-an-den-klimawandel--cluster--wissens/e-04-ausbreitung-der-chinesischen-hanfpalme.html