Site Visit in Wohlen

Wissenschaftliche Unsicherheiten sowie unterschiedliche Interessen von Betroffenen erschweren es oft, Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu realisieren. Wie lassen sich Projekte angesichts dieser Herausforderungen erfolgreich umsetzen? Dieser zentralen Frage ging die dritte Site Visit nach, die am 3. Mai 2022 im Kanton Aargau stattfand.

Anpassung an den Klimawandel, Pilotprogramm Anpassung an den Klimawandel | 05.07.2022 | BAFU

Die Site Visits sind eine Veranstaltungsreihe von BAFU und ProClim im Rahmen des Pilotprogramms zur Anpassung an den Klimawandel. Die Veranstaltungen sollen den Wissensaustausch zwischen den Projekten sowie zwischen Forschung und Praxis fördern.

Die Site Visit im Aargau war der erste Anlass, der ausserhalb des urbanen Raums stattfand, und zwar auf einem Bauernhof bei Wohlen. Hauptgastgeber war das Projekt «Anpassung als Chance für die Landwirtschaft». An der Programmgestaltung beteiligten sich zudem die Pilotprojekte «Hitzeangepasste Siedlungsentwicklung Aargau» und «Klimaoasen in Gemeinden». 

Rund 40 Forschende, Teilnehmende aus den Pilotprogramm sowie Fachleute aus der Region nahmen an dieser Site Visit teil. Anhand von konkreten Beispielen aus verschiedenen Bereichen der Anpassung an den Klimawandel beschäftigten sie sich intensiv damit, wie es sich im Spannungsfeld unterschiedlicher Ziele professionell arbeiten lässt, und wie durch ein integrales Planen und Abwägen von Interessen ein Mehrwert für alle Beteiligten entsteht. 

Von der Koordination zum kalkulierten Risiko

Nach der Eröffnung der Veranstaltung durch Organisatorin Gabriele Müller-Ferch (ProClim) sowie Programmleiter Guirec Gicquel (BAFU) gaben eine Reihe von Expertinnen und Experten Einblick in aktuelle Entwicklungen in Fachkreisen. So erläuterte Michael Stauffacher von der ETH Zürich den Forschungsansatz der sogenannten Reallabore. Am Beispiel des Hunziker-Areals in Zürich zeigte er, wie Verwaltung, Politik, Zivilgesellschaft mit der Forschung konkret zusammenarbeiten können, um einen Transformationsprozess zu einzuleiten. 

Matthias Müller, Leiter Landwirtschaft Aargau, berichtete, wo auf kantonaler Ebene die Herausforderungen im Umgang mit der Klimaanpassung liegen. Er wünschte sich mehr Koordination auf übergeordneter Ebene, um die Aktivitäten zu weiteren Zukunftsthemen wie Wasser, Biodiversität und Raumplanung aufeinander abzustimmen. Norbert Kräuchi, Abteilungsleiter Landschaft und Gewässer Aargau, berichtete, wie es im Bereich der Bewässerung mit einem ganzheitlichen und transparenten Ansatz gelang, unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen. 

Matthias Müller: Anpassung als Chance für die Landwirtschaft

Einen neuartigen Umgang mit Unsicherheiten schafft der Kurs «Reiseleiter*in zum akzeptierten Risiko», der im Rahmen des Pilotprojekts C.06 entstand. Dörte Aller und Jan Kleinn vom Projektteam erläuterten ihren Ansatz und betonten, dass Risiken ein Teil des Alltags darstellen und nicht ignoriert werden dürfen. Entsprechend liegt der Fokus ihres Kurses nicht darauf, was nicht passieren darf, sondern darauf, was passieren darf. Diese Umkehrung der üblichen Fragestellung ermöglicht eine neue Sichtweise. 

Nach diesen befruchtenden Inputs diskutierten die Teilnehmenden in drei parallelen Workshops ihre eigenen Erfahrungen in der Arbeit mit Unsicherheiten und unterschiedlichen Interessen. Dabei stand insbesondere die Frage im Vordergrund, auf welche Weise es gelingt, diese Herausforderungen anzugehen und zu meistern. 

Als zielführende Strategien identifizierten die Teilnehmenden eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze. Dazu gehören beispielsweise grundlegende Prinzipien wie Offenheit, Vertrauen, Transparenz sowie ein respektvoller Umgang aller Beteiligten untereinander. Mehr dazu im ausführlichen Veranstaltungsbericht (PDF, 830 kB, 28.06.2022).

Klimaanpassung live

Am Nachmittag stand eine Begehung in der Umgebung auf dem Programm. Gemeindeammann Arsène Perroud verwies zunächst auf aktuelle Initiativen in der Gemeinde und zeigte auf, wie die Gemeinde versucht, sich auf Erfordernisse der Zukunft einzustellen. 

Der anschliessende Rundgang führte die Teilnehmenden an drei verschiedene Stationen mit unterschiedlicher Thematik. Vor Ort demonstrierten Fachpersonen an konkreten Projekten, wie Trockenheit, Hochwasser und steigenden Sommertemperaturen begegnet werden kann. 

Beim ersten Standort zeigte Christian Wohler vom landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg das Spannungsfeld der landwirtschaftlichen Bewässerung auf. Die Tröpfchenbewässerung gilt zwar als hoch effizient, da sie direkt die Wurzeln beliefert. Aber diese Technik kann nicht überall eingesetzt werden. Deshalb funktioniert sie am besten in Verbindung mit anderen Strategien. 

Die zweite Station befand sich an der Bünz. Silvio Moser von der Sektion Wasserbau Aargau erklärte das Konzept eines Hochwasserrückhaltebeckens, das hier neu errichtet wurde. Ziel des Bauwerks ist es, das Schadenspotenzial eines Hochwassers so gering wie möglich zu halten. Bei einem ausserordentlich Starkregenereignis werden die Fluten vor dem Siedlungsgebiet aufgestaut und auf die umliegenden landwirtschaftlichen Flächen geleitet. 

Führung vor Ort: Klimaoase

Die dritte Station umfasste drei verschiedene Standorte rund um die Schule Junkholz. Thomas Baumann vom Naturama Aargau stellte das Pilotprojekt «Klimaoase» vor. Dessen Grundidee ist es, dass sich Gemeinden im Kanton gegenseitig anregen, einzelne Bäume als kleine Klimaoasen im Siedlungsgebiet zu pflanzen. Die Bepflanzung stellt eine kostengünstige Klimaanapassungsmassnahme dar und trägt gleichzeitig zu einem attraktiven Siedlungsraum bei. 

Daniela Bächli von der Siedlungsentwicklung & Freiraum Aargau stellte das Pilotprojekt «Hitzeangepasste Siedlungsentwicklung Aargau» vor. Anhand neuer Klimakarten zeigte sie auf, wie wichtig Grünräume für die Kühlung innerhalb aber auch ausserhalb von Siedlungen sind. 

Roger Isler von der Gemeinde Wohlen präsentierte schliesslich ein Projekt im Rahmen der Kampagne «Natur findet Stadt»: Die Gemeinde baute eine ausgediente Leichtathletik-Bahn zurück. An ihrer Stelle entstand mitten im Siedlungsgebiet ein vielfältiger Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten. 

Nachdem die Teilnehmenden mit diesen vielfältigen Eindrücken auf den Bauernhof zurückgekehrt waren, liess Bettina Walch von Plan Biodivers den Tag noch einmal Revue passieren und fasste die wichtigsten Erkenntnisse zusammen. Sie strich heraus, dass der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle spielt, um die Herausforderungen zu bewältigen. Oft sei es zielführender, nicht sofort eine Lösung zu suchen, sondern zuerst in einem iterativen Prozess einander verstehen zu lernen. 

Mehr Informationen zur Site Visit in Wohlen finden sich im Tagungsbericht (PDF) (PDF, 830 kB, 28.06.2022) sowie in einem Bericht der Fachzeitschrift ProClim Flash. Ausserdem können Sie die Unterlagen der einzelnen Präsentationen weiter unten auf dieser Seite herunterladen und sich die präsentierten Pilotprojekte am Postermarkt anschauen.

Kurzfilm Site Visit Wohlen

Bildergalerie

Weitere Informationen

Präsentationen

Einleitung 3. Site Visit, Wohlen, 3. Mai 2022 (PDF, 1 MB, 28.06.2022)Guirec Gicquel, Programmleiter, Bundesamt für Umwelt, Abteilung Klima

Anpassung als Chance für die Landwirtschaft (PDF, 4 MB, 28.06.2022)Matthias Müller, Departement Finanzen und Ressourcen, Kanton Aargau

Wasser für alle, oder wie lässt sich eine knappe Ressource gerecht verteilen? (PDF, 1 MB, 28.06.2022)Norbert Kräuchi, Abteilung Landschaft und Gewässer, Kanton Aargau

Reiseleiter:in zum akzeptierten Risiko (PDF, 4 MB, 28.06.2022)Dörte Aller, Aller Risk Management und Jan Kleinn, WSL-SLF & Kleinn Risk Management

Aussensicht und Highlights (PDF, 19 MB, 28.06.2022)Plan Biodivers, Umweltkommunikation und Planung

Poster

Hitzeangepasste Siedlungsentwicklung in Agglomerationsgemeinden (PDF, 3 MB, 28.06.2022)Der Kanton Aargau schuf Grundlagen für die hitzeangepasste Siedlungsentwicklung (Leitfaden und Klimakarte).

Klimakarte Planhinweiskarte Tag (PDF, 10 MB, 28.06.2022)Beilage 1 zum Poster "Hitzeangepasste Siedlungsentwicklung in Agglomerationsgemeinden"

Klimakarte Planhinweiskarte Nacht (PDF, 16 MB, 28.06.2022)Beilage 2 zum Poster "Hitzeangepasste Siedlungsentwicklung in Agglomerationsgemeinden"


Klimaoasen – eine Sensibilisierungskampagne zum Thema Klimawandel (PDF, 3 MB, 28.06.2022)Grundidee dieses Projektes ist es, dass sich Gemeinden im Kanton Aargau gegenseitig motivieren, im Siedlungsgebiet geeignete Bäume zu pflanzen, die sich zu stattlichen Exemplaren und damit zu Klimaoasen entwickeln können.

Reiseleiter:in zum akzeptierten Risiko (PDF, 1 MB, 28.06.2022)Um die Risiken im Zusammenhang mit Naturgefahren zu reduzieren, ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise erforderlich, die auch Unsicherheiten wie den Klimawandel zu berücksichtigen weiss. Der Weg zum akzeptierten Risiko basiert auf dem Integralen Risikomanagement und zeigt eine passende Herangehensweise auf.

Klimaangepasste Gestaltung privater Bauvorhaben und Arealentwicklungen: Leuchtturmprojekt Stadtquartier ZWHATT Regensdorf (ZH) (PDF, 9 MB, 28.06.2022)Im Norden von Regensdorf entsteht mit «Zwhatt» ein neues Stadtquartier mit Wohnungen und Dienstleistungsbetrieben. «Zwhatt» zeigt als Pilotprojekt wie dem Thema Überhitzung mit gezielter Planung und hitzemindernden Massnahmen begegnet werden kann.

Aufwertung ehemalige Laufbahn Junkholz (PDF, 9 MB, 28.06.2022)Die Gemeinde Wohlen baute eine ehemalige Laufbahn im Jahr 2020 zurück und wertete den Standort gleichzeitig ökologisch auf.


Pilotprogramm Anpassung Klimawandel: Überblick (PDF, 7 MB, 28.06.2022)Auf Grundlage der Strategie zur Anpassung an den Klimawandel betreibt die Schweiz ein breit angelegtes Pilotprogramm. Mit innovativen Projekten wer- den Kantone, Regionen und Gemeinden konkret dabei unterstützt, sich auf die absehbaren klimatischen Veränderungen einzustellen. Ziel ist es, Risiken zu minimieren und Chancen zu nutzen.

Letzte Änderung 05.07.2022

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