Invasive gebietsfremde Schädlinge: Die Kirschessigfliege

Die Kirschessigfliege Drosophila suzukii Matsumura (Diptera: Drosophilidae) (Abbildung 1) stammt aus Südostasien und wurde 2008 erstmals in den USA (Kalifornien) und Südeuropa (Italien, Spanien) nachgewiesen (Asplen et al. 2015). In der Schweiz wurde sie zum ersten Mal im Juli 2011 auf Heidelbeeren im Tessin und auf Himbeeren im Graubünden gefunden (Baroffio and Fischer 2011). Die Essigfliegen-Art ist inzwischen eine der bedeutendsten invasiven Schaderreger von Stein- und Beerenobst sowie einzelner Rebsorten. Die Gründe dafür sind zahlreich. Die Kirschessigfliege kann eine hohe Zahl an kultivierten Weichobstarten (Beeren, Kirschen, Zwetschgen, Trauben) und auch wildwachsende Beerenpflanzen (Brombeeren, roter Holunder, Kornelkirsche, Hartriegel) befallen (Kenis et al. 2016; Lee et al. 2015). Mit ihrem sägeartigen Legeapparat kann das Weibchen auch die intakte Fruchthaut von reifenden Früchten durchbohren und die Eier in die Frucht ablegen. Die Kirschessigfliege kann sich bei günstigen Temperatur Bedingungen zwischen 20°C-25°C enorm schnell vermehren. Die Entwicklung von Ei zur adulten Fliege dauert dann nur 8-14 Tage (Tochen et al. 2014). In Mitteleuropa kann also pro Jahr mit bis zu 8 Generationen gerechnet werden (Mittel: 4-5). Mehrere Tage mit einer Temperatur unter 10°C und einer Luftfeuchte unter 70 % beeinflussen direkt die Weiterentwicklung und die Reproduktion und können den Populationsaufbau der Kirschessigfliege verzögern. Diese kann sich bei ungünstigen klimatischen Bedingungen auch in Hecken oder Wälder zurückziehen. Hecken und Wälder führen unter bestimmten Bedingungen auch dazu, dass der Fruchtbefall in den angrenzenden Kulturen niedriger ist.

Drosophila suzukii, Weibchen und Männchen
Abbildung 1. Weibchen und Männchen der Kirschessigfliege
© FiBL, S. Stöckli

In der Schweiz wurden im Rahmen von einer nationalen Task Force und einzelnen Forschungsprojekten zahlreiche Lösungsansätze in Zusammenarbeit mit kantonalen Fachstellen und der Praxis untersucht und Informationsblätter erstellt:

Um die Kirschessigfliege nachhaltig zu bekämpfen, ist ein Gesamtkonzept mit einzelnen Bausteinen nötig. Als Entscheidungsgrundlage ist eine Risikoabschätzung mit Hilfe von Fallenmonitoring oder Befallskontrollen essentiell. Populationsmodelle oder Entscheidungshilfesysteme können eine Risikoabschätzung unterstützen. Solche Simulationsmodelle werden aktuell von verschiedenen Forschungsinstitutionen entwickelt (Wiman et al. 2014; Wiman et al. 2016; Gutierrez et al. 2016; Langille et al. 2016; Ørsted and Ørsted 2019); Final Report Summary - DROPSA; Webseite SIMKEF. Zur indirekten Befallsregulierung werden trockenes Bestandesklima, frühzeitiges und schnelles Abernten oder die Entsorgung von überreifen und beschädigten Früchten oder Einnetzung empfohlen. Auch der Einsatz von natürlichen Gegenspieler wird intensiv im In- und Ausland erforscht. Als Ergänzung können mineralische Produkte wie Kaolin oder Löschkalk angewendet werden. Die abgelegten Eier werden nicht getötet, aber die Eiablage wird verhindert. Auch zur Wirkungsweise von Insektiziden liefen in den letzten Jahren viele Versuche. Werden Populationsmodelle mit Klimaszenarien kombiniert, können die Folgen der Klimaveränderung auf die Verbreitung und saisonale Phänologie von Schadorganismen abgeschätzt werden. Solche Klimafolgestudien sind die Basis für mögliche Anpassungsmassnahmen im Pflanzenschutz.

Potentielle Verbreitung der Kirschessigfliege
Abbildung 2. Potentielle Verbreitung der Kirschessigfliege unter heutigen (1981-2010) und zukünftigen (2070–2099) Klimabedingungen. Die Karten zeigen, wie günstig das Klima an einem Standort für das längerfristige Überleben des Insektes ist. Resultate von Simulationen mit Modell CLIMEX. Basis für die Berechnung der Karte rechts ist das lokale Klimaszenario A2 für die Schweiz.

Die potentielle Verbreitung und das saisonale Vorkommen der Kirschessigfliege unter heutigen und zukünftigen Klimabedingungen wurden bioklimatisch mit dem Modell CLIMEX abgeschätzt (Kriticos et al. 2015). Das simulierte heutige potentielle Verbreitungsgebiet in Asien, Amerika und Europa stimmt sehr gut mit dem beobachteten Vorkommen der Kirschessigfliege überein. Für Nordamerika und Kanada konnte mit Hilfe von Klimafolgemodellen aufgezeigt werden, dass das Wachstumspotential der Kirschessigfliege in den zentralen Gebieten der USA abnehmen könnte, weil die Temperaturen im Sommer über längere Zeit zu hoch sein dürften (Langille et al. 2017). Hingegeben zeigt der Trend für nördlichen zentralen Gebiete in Kanada eine höhere bioklimatische Eignung für das längerfristige Überleben der Kirschessigfliege. Der Grund für diesen Trend liegt mehrheitlich an den milderen Wintertemperaturen.

Gemäss unserer Simulation mit den bioklimatischen Modell CLIMEX und den Klimaszenarien für die Schweiz, dürfte sich das Verbreitungsgebiet der Kirschessigfliege künftig in höher gelegene Obstbaugebiete ausdehnen (Abbildung 2). Der Flächenanteil in der Schweiz, der bioklimatisch für das längerfristige Überleben geeignet ist, könnte sich verdoppeln. Die Resultate zeigen, dass das Wachstumspotential im Schweizer Mittelland stark ansteigen und sich die Aktivitätsperiode verlängern könnte. In einzelnen Wochen ist in Zukunft vermehrt mit mehr Hitze- oder Trockenstress für die Kirschessigfliege zu rechnen. Diese kurzen Phasen dürften aber kaum das längerfristige Überleben in den Regionen der Schweiz beeinflussen.

Weiterführende Informationen

Literatur

Asplen MK, Anfora G, Biondi A, Choi D-S, Chu D, Daane KM, Gibert P, Gutierrez AP, Hoelmer KA, Hutchison WD, Isaacs R, Jiang Z-L, ti ZKr, Kimura MT, Pascual M, Philips CR, Plantamp C, Ponti L, Ve´tek1 Gb, Vogt H, Walton VM, Yu Y, Zappala L, Desneux N (2015) Invasion biology of spotted wing Drosophila (Drosophila suzukii): a global perspective and future priorities. J Pest Sci 88:469-494

Baroffio C, Fischer S (2011) Neue Bedrohung für Obstplantagen und Beerenpflanzen: Die Kirschessigfliege. UFA-Revue 11:46-47

Gutierrez A-P, Ponti L, Dalton DT (2016) Analysis of the invasiveness of spotted wing Drosophila (Drosophila suzukii) in North America, Europe, and the Mediterranean Basin. Biol Invasions: DOI: 10.1007/s10530-10016-11255-10536

Kenis M, Tonina L, Eschen R, van der Sluis B, Sancassani M, Mori N, Haye T, Helsen H (2016) Non-crop plants used as hosts by Drosophila suzukii in Europe. J Pest Sci:DOI 10.1007/s10340-10016-10755-10346

Kriticos DJ, Maywald GF, Yonow T, Zurcher EJ, Hermann NI, Sutherst RW (2015) CLIMEX Version 4: Exploring the effects of climate on plants, animals and diseaes. CSIRO, Canberra

Langille AB, Arteca EM, Newman JA (2017) The impacts of climate change on the abundance and distribution of the spotted wing drosophila (Drosophila suzukii) in the United States and Canada. Peerj 5. doi:10.7717/peerj.3192

Langille AB, Arteca EM, Ryan GD, Emiljanowicz LM, Newman JA (2016) North American invasion of Spotted-Wing Drosophila (Drosophila suzukii): A mechanistic model of population dynamics. Ecol Model 336:70-81. doi:10.1016/j.ecolmodel.2016.05.014

Lee JC, Dreves AJ, Cave AM, Kawai S, Isaacs R, Miller JC, Van Timmeren S, Bruck DJ (2015) Infestation of wild and ornamental noncrop fruits by Drosophila suzukii (Diptera: Drosophilidae). Ann Entomol Soc Am 108 (2):117-129. doi:10.1093/aesa/sau014

Ørsted IV, Ørsted M (2019) Species distribution models of the Spotted Wing Drosophila (Drosophila suzukii, Diptera: Drosophilidae) in its native and invasive range reveal an ecological niche shift. J Appl Ecol 56:423-435

Tochen S, Dalton DT, Wiman N, Hamm C, Shearer PW, Walton VM (2014) Temperature-related development and population parameters for Drosophila suzukii (Diptera: Drosophilidae) on cherry and blueberry. Environ Entomol 43 (2):501-510

Wiman NG, Dalton D, Anfora G, Biondi A, Chiu JC, Daane KM, Gerdeman B, Gottardello A, Hamby KA, Isaacs R, Grassi A, Ioriatti C, Lee JC, Miller B, Stacconi MVR, Shearer PW, Tanigoshi L, Wang X, Walton V (2016) Drosophila suzukii population response to environment and management strategies. J Pest Sci: DOI 10.1007/s10340-10016-10757-10344

Wiman NG, Walton VM, Dalton DT, Anfora G, Burrack HJ, Chiu JC, Daane KM, Grassi A, Miller B, Tochen S, Wang X, Ioriatti C (2014) Integrating temperature-dependent life table data into a matrix projection model for Drosophila suzukii population estimation. PLoS One 9 (9):e106909-e106909. doi:10.1371/journal.pone.0106909

Letzte Änderung 28.09.2023

Zum Seitenanfang

Kontakt

FiBL
Departement für Nutzpflanzenwissenschaften

Sibylle Stöckli

Kontaktinformationen drucken

https://www.nccs.admin.ch/content/nccs/de/home/sektoren/landwirtschaft/auswirkungen-schadorganismen/drosophila-suzukii.html